S C H R E I B M A S C H I N E

Just one of those days …

Freizeitlos?

Mir wurde gerade einmal wieder vor Augen geführt, dass ich relativ viel und recht lange arbeite. Das bringt mich selbst oft zum Nachdenken und zu der Frage: Muss und darf das so? Andererseits: Brauche ich mehr Freizeit?

Dieses Freizeitkonzept seziere ich gerade und es bleibt nicht viel davon übrig. Bei einer Trennung zwischen Arbeit und Freizeit müssen wir von einem Zwang ausgehen; von einer Unfreiheit, mit der ein Teil des Tages verbracht wird. Als Gegenleistung für einen gewissen Lohn, der üblicherweise monatlich auf dem Konto landet. Natürlich habe ich auch vieles zu tun, das mir keinen Spaß macht. Doofe Aufgaben gibt es halt immer. Aber insgesamt mache ich doch den ganzen Tag, was ich sonst auch in meiner Freizeit gern täte – nur halt bezahlt. Letztendlich kommt es doch darauf an, seinen Lebensunterhalt mit etwas zu verdienen, was man gern tun mag.

Das klingt jetzt fürchterlich arrogant. Gegenüber allen, die mehr Verpflichtungen haben, eine Familie ernähren oder für andere Menschen sorgen müssen. Nicht jeder hat das Glück, von seiner Lieblingsarbeit gut leben zu können. Und doch halten sich so viele unnötig gefangen. “Aber ich kann doch nicht…” – da frage ich mich immer: Warum denn nicht? Wenn ich einmal kritisch überdenke, wozu ich mich gezwungen, genötigt, angehalten fühle, bleibt davon nicht vieles übrig. So vieles ist letztendlich freiwillig und oft stört nur die Angst vor der Veränderung den Gedanken, etwas aus dem Weg zu räumen, das nicht gemocht wird. Na klar gibt es Verpflichtungen und auch langfristige Zielstellungen, für die sich kurzfristige Unannehmlichkeiten lohnen. Aber ganz unzufrieden sollte niemand sein müssen. 1

Neben einer Arbeit, die Spaß macht, ist auch noch wichtig, wie sie über den Tag verteilt wird. Ich habe mich ein halbes Jahr lang an einem Achtstundentag versucht. Erfolglos. Dieses Konzept, um neun ins Büro zu gehen, dort genau 8 Stunden lang (abgesehen von den Pausen) genau die benötigte Produktivität und Kreativität aufzubringen, die der Job verlangt, um  gegen 17 Uhr wieder zu Hause zu sein und den Tag mit “Freizeit” zu füllen, passt weder zu meiner Arbeitsweise noch fördert es Ideen. Mit fällt unter der Dusche ein, wie sich ein bestimmtes Problem lösen lässt2 oder beim Abwaschen. Ich habe nach dem Mittagessen keine Lust auf Arbeit, wohl aber abends um zehn. Wer es vermag – und auch das ist natürlich von der Art der Arbeit abhängig – sollte seinen Chef überreden, dann zu arbeiten, wann es dem persönlichen Empfinden entspricht. Als Gegenleistung muss man sich die Disziplin abverlangen, trotzdem das Soll zu erfüllen. Keine schwere Aufgabe, wenn die Arbeit selbst ein Stück Freizeitgestaltung ist.

Wenn der Tagesablauf frei ist, lässt sich darum jedes weitere Hobby flechten. Nachmittags an die frische Luft? Kein Problem, dann wird halt Abends nochmal gearbeitet. Mal einen Tag freimachen? So es die Termine erlauben, kann auch mit Wochenendtagen getauscht werden. Warum muss man sich bremsen, wenn Samstag Lust auf eine bestimmte Aufgabe aufkommt? Warum quälen, wenn der Mittwochmorgen bettaffin ist?

Alles unter dem Vorbehalt, dass die Arbeit es zulässt. Wer Öffnungszeiten hat, muss auch da sein. Das zählt quasi als ein Termin – und für die gilt auch: Termine werden eingehalten und sollten nicht allzu oft verschoben werden.3 Meine Beobachtung ist aber, dass sich Menschen mit derartig festgelegten Arbeitszeiten selten darüber beschweren. Oft sind es nur die, die auch tatsächlich etwas daran ändern könnten. Vielleicht eine Reaktion auf den unbewussten Frust, der durch einen vermeidbaren Zwang entsteht. Langfristige Null-Bock-Phasen lassen sich damit auch nicht beheben. Wer nie arbeiten mag, sollte an seiner Aufgabe arbeiten. Kurzfristige Unlustphasen lassen sich so gut überbrücken.

Unterm Strich steht für mich: Ich habe keine dedizierte Freizeit. Da sind wenige Stunden, in denen ich unerreichbar bin oder nicht doch hier und dort mal etwas über die Arbeit aufploppt. Andererseits habe ich auch selten das Gefühl, etwas nicht tun zu können, weil es die Arbeitszeit verbietet. Selbst ein expliziter Feierabend ist möglich, wenn ich irgendwann beschließe, für den Rest des Tages nichts mehr zu machen. Was letztendlich nur heißt, mich nicht mehr an Verpflichtungen zu orientieren. Denn irgendwas mache ich ja trotzem.4

Für alle, die sich jetzt denken: “Das klingt ja nett, aber bei mir ist alles anders!” Ist es das wirklich? Ich habe mir inzwischen angewöhnt, bei jeder sich ergebenden Einschränkung zu fragen: Wo kommt diese Einschränkung her? Warum kann ich sie einhalten? Welche Konsequenzen hat es, sie aufzuheben oder zu umgehen? Wenn der Bei-mir-klappt-das-aber-nicht-Punkt erst einmal überschritten ist, lassen sich erstaunlich viele Dinge sehr leicht ändern.

  1. Ich habe heute mit Schrecken gelesen, dass es doch viele Menschen gibt, die in Deutschland arbeiten und zusätzlich Sozialbeihilfen beantragen müssen – das macht mich traurig. Wir sollten doch inzwischen zu mehr fähig sein; so als Gesellschaft 

  2. und damit bin ich nicht allein! 

  3. Mit richtiger und geschickter Terminplanung lassen sich große Teile des Tages ebenfalls freiräumen 

  4. Zum Beispiel nicht endenwollende Blogbeiträge schreiben…. 

4 Kommentare

  1. Warum quälen, wenn der Mittwochmorgen bettaffin ist?

    Das frage ich mich auch gerade … sigh

  2. Ach und zu Fußnote 1) genau das stand heute wieder in der taz. Die Zahl der Aufstocker ist im letzten Jahr zwar konstant geblieben aber unverändert hoch. Wundert mich, dass Du davon noch nichts gehört hast. Sehr interessant dazu übrigens auch die Gedanken von Götz Werner, der hatte auf der re:publica gerade nochmal einen Vortrag über das bedingungslose Grundeinkommen gehalten (Video bei YouTube). Die Grundannahme war dort auch, dass der gesamtgesellschaftliche Wohlstand groß genug ist, dass wir sowas wie Aufstocker eigentlich nicht nötig haben.

  3. Danke für den Anstupser :D …hab gerade am Montag versucht jemandem zu erklären, warum ich (zumindest wie es von außen aussehen muss) so extrem viel mache, was nicht in die Kategorie “Freizeit” passt. Meine Worte waren in etwa, dass sobald mir jemand ne neue Inspiration / Input für ein neues tolles Projekt, Event oder ne These gibt, die ich gerne widerlegen oder zeigen mag….sofort den Arm hochreiße. Was zur Folge hat, dass ich die meiste Zeit der Woche ausgelastet bin mit “Nicht-Offiziell-Freizeit-Kategorie”-Aktivitäten, die aber trotzdem Spaß machen bzw. die ich gerne mache. Bin übrigens auch ein großer Verfechter des “Nicht-8-Stunden-Am-Stück-Arbeiten”-Rhythmus :D.

  4. was ist eigentlich Freizeit, wenn Freizeit zur Pficht wird?

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